Das Frühwarnsystem als Instrument zur Krisenvermeidung?

Sven Faveris

Diplom Kaufmann und Interim Executive (EBS)

Gesetzliche Verpflichtungen zur Einführung von Überwachungssystemen gibt es schon lange (AktG, GmbHG). Seit Anfang 2021 findet im §1 StaRUG „Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern“ erneut eine Konkretisierung statt.

Meiner Erfahrung nach wird in vielen Fällen erst dann auf eine Krise reagiert, wenn die Finanzierer (z.B. Banken) nervös werden. Dann sind oft bereits die Kreditlinien ausgeschöpft, Zahlungsstockungen zu verzeichnen und im schlimmsten Fall wurden bereits die Limite durch die Warenkreditversicherer gekürzt. In den meisten Fällen steigt mit zunehmender Krise leider auch derFinanzierungsbedarf und das Finanzierungskonzept wird zu einer immer größeren Herausforderung für alle Beteiligten.

Unabhängig vom neuen StaRUG war es für eine außergerichtliche Sanierung schon immer sinnvoll, eine Krise möglichst frühzeitig zu erkennen, da in diesem Fall dem Unternehmer bzw. Unternehmen (meistens) mehr Handlungsoptionen zur Verfügung stehen. Dadurch steigen wiederum die Chancen für eine erfolgreiche Umsetzung geeigneter (kurzfristiger) Maßnahmen und/oder für eine nachhaltige Restrukturierung. Die Zeit ist leider fast immer der kritische Faktor.

Die Krisenfrüherkennung explizit ins StaRUG mit aufzunehmen, war also durchaus sinnvoll. In §101 StaRUG steht allerdings nicht, wie ein Krisenfrühwarnsystem implementiert wird.

Im IDW Standard S6 „Anforderungen an Sanierungskonzepte“ wurde bereits der typische Krisenverlauf anhand von sechs aufeinander aufbauenden Krisenstadien (siehe Abbildung 1) beschrieben. Es bietet sich an darauf aufzusetzen und je Stadium entsprechende Indikatoren mit ggf. einer entsprechenden Gewichtung zu definieren.

Da die Krisenursachen meistens in den ersten drei Krisenstadien liegen, ist es im Rahmen eines Krisenfrühwarnsystems zielführend genau diese Stadien einzubeziehen. Sowohl die Erfolgskrise als auch die Liquiditätskrise haben (meistens) ihre Ursachen in den vorangegangenen Krisenstadien.

Wie kann ein Krisenfrühwarnsystem aussehen?

Genauso wie anfangs beim Compliance-Management- oder Risiko-Management-System, gehen derzeit einige Bemühungen in Richtung Fragenkatalog. In diesem Fragenkatalog werden die Indikatoren (Frühwarnindikatoren) für die Krisenstadien eins bis drei abgefragt, bewertet, ggf. gewichtet und möglicherweise mit ersten Handlungsempfehlungen verknüpft. Ob dies in Excel, webbasiert oder mit Hilfe einer speziellen Software geschieht, ist sekundär. Das Geschäftsmodell muss dabei immer wieder und insbesondere hinsichtlich des Wertangebots sowie der Kundenschnittstelle hinterfragt werden.

Ob ein Frühwarnsystem in der Praxis funktioniert, hängt meines Erachtens im Wesentlichen von drei Punkten ab:

  1. Sowohl Geschäftsführer als auch Gesellschafter müssen das System leben. Zum Beispiel sollte bei einer Ansprache des Geschäftsführers an sein Team nicht die gesetzliche Verpflichtung, sondern der Nutzen hervorgehoben werden (also nicht „Es gibt ein neues Gesetz und deshalb müssen wir das so machen.“)
  2. Einmal einen Fragenkatalog zu beantworten ist noch kein System. Vielmehr muss eine gewisse Regelmäßigkeit/Routine einkehren (monatlich, quartalsweise).
  3. Bei solchen Projekten wird gerne „mit Kanonen auf Spatzen“ geschossen. Der Umfang des Frühwarnsystems sollte also zur Unternehmensgröße/-komplexität passen.

Welche anderen Instrumente gibt es noch zur Krisenfrüherkennung?

Bei der Krisenfrüherkennung geht es darum die Entwicklungen des Unternehmens kontinuierlich zu überwachen und zu analysieren.

Bei meinen Einsätzen sorge ich immer so schnell wie möglich dafür, dass die folgenden beiden bewährten Instrumente implementiert werden:

  1. Eine direkt ermittelte 13 Wochen Liquiditätsplanung: Diese sollte wöchentlich aktualisiert werden (einmal implementiert, ist der Aufwand für die Aktualisierung nicht groß)
  2. Eine integrierte Finanzplanung (bestehend aus GuV-Planung, Bilanzplanung und indirekt ermittelter Liquiditätsplanung): Diese sollte alle sechs Monate aktualisiert werden (Es sei denn, es gibt Anlass dies früher zu tun)

Mit diesen letzten beiden Instrumenten lassen sich Fehlentwicklungen und insbesondere eine drohende Zahlungsunfähigkeit früh erkennen(wahrscheinlich aber nicht bereits im frühen Stadium einer Stakeholder Krise). Dadurch können geeignete Maßnahmen rechtzeitig umgesetzt werden. Die Erfolgswahrscheinlichkeit einer nachhaltigen Restrukturierung/Sanierung steigt damit deutlich.

Zur späten Reaktion auf Unternehmenskrisen aufgrund der Problematik des Prinzips „Hoffnung“ kann ich Ihnen auch meinen Blog-Beitrag „Der Umsatz wird bestimmt wieder steigen, oder? empfehlen.

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